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Bundeskriminalamt
 
Vorbemerkung
Über die Aufgabenstellung des BKA, seine Zuständigkeiten und sein Verhältnis zu den Länderpolizeien herrscht, obwohl inzwischen fast 40 Jahre seit seiner Errichtung vergangen sind, in weiten Teilen der Bevölkerung und selbst innerhalb der Polizei immer noch Unklarheit.
Nicht wenige halten das BKA für die Schalt- und Kommandozentrale der deutschen Polizei, und bestimmte Gruppen verbinden mit dem BKA Begriffe wie "Geheimpolizei" und "Überwachungsstaat".
Speziell auf das BKA konzentrieren sich Kritik und besonderes Interesse wohl auch deshalb, weil die Verarbeitung personenbezogener Daten zu den wesentlichen Aufgaben dieser Behörde in ihrer Funktion als Zentralstelle zählt und diese Tätigkeit insbesondere seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in die Diskussion gekommen ist.
Im folgenden sollen Zuständigkeiten und Tätigkeitsfelder des BKA beschrieben werden, wie sie sich aus dem BKA-Gesetz vom 08. März 1951 in der Fassung vom 28. Juni 1973 ergeben (Teil I). Die anstehende Novellierung des BKA-Gesetzes wird nach dem vorliegenden Entwurf hinsichtlich der Zuständigkeiten des Amtes keine Änderungen bringen, sondern nur die vom BVerfG geforderten bereichsspezifischen Regelungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten.
Daran anschließend werden anhand ausgewählter Bereiche kriminalistisch-kriminologische Problemfelder im Zusammenhang mit der konkreten Aufgabenwahrnehmung behandelt (Teil II).

Teil I: Zuständigkeiten und Tätigkeitsfelder des BKA
Das Bundeskriminalamt steht wie sonst kaum eine Behörde im Spannungsfeld zwischen Länderhoheit und Bundeskompetenzen. Dies wirkt sich auch auf die konkrete Aufgabenwahrnehmung, insbesondere bei der Zusammenarbeit mit den Ländern, aus. Einerseits haben die Bundesländer die Polizeihoheit, d.h., sie sind zuständig für die vorbeugende Verbrechensbe-kämpfung sowie grundsätzlich auch für die Strafverfolgung (Artikel 30 GG). Daneben hat der Grundgesetzgeber in den Artikeln 73 Nr. 10 und Artikel 87 GG die verfassungsmäßigen Voraussetzungen für die Errichtung des Bundeskriminalamtes geschaffen. Der Bundesgesetzgeber hat von dieser Kompetenz durch das BKA-Gesetz vom 08.03.1951 Gebrauch gemacht.
Die Hauptaufgabe des Bundeskriminalamtes bestand anfangs lediglich darin, alle Nachrichten und Unterlagen für die kriminalpolizeiliche Verbrechensbekämpfung und die Verfolgung strafbarer Handlungen zu sammeln und auszuwerten, soweit die Nachrichten und Unterlagen nicht eine nur auf den Bereich eines Landes begrenzte Bedeutung haben (§ 2 Nr. 1 BKA-Gesetz i.d.F. von 1951). In seltenen Fällen wurden BKA-Beamte im Auf-trag des Bundesinnenministers oder auf Ersuchen einer zuständigen Landesbehörde selbst ermittelnd tätig (sog. Auftragszuständigkeit, § 4 Abs. 2 BKA-Gesetz in der Fassung von 1951). Zwischenzeitlich wurden die Zuständigkeiten des BKA - insbesondere zur besseren Bekämpfung der Schwerkriminalität - durch die Gesetzesänderungen vom 19.09.1969 und vom 28.06.1973 erheblich ausgebaut.

Zentralstellenfunktion
Zum einen wurde der vom BKA als Zentralstelle wahrzunehmende Aufgabenkatalog erheblich erweitert. So übertrug der Gesetzgeber dem Amt die Zentralstellenfunktion für den elektronischen Datenverbund zwischen dem Bund und den Ländern (*INPOL). Zu den im BKA-Gesetz von 1951 bereits enthaltenen Aufgaben, nachrichten- und erkennungsdienstliche sowie kriminaltechnische Einrichtungen zu unterhalten, traten u.a. die Forschung und Entwicklung polizeilicher Methoden und Arbeitsweisen, die Unterstützung der Länder in der Vorbeugungsarbeit, die Fortbildung auf Spezialgebieten sowie Gutachterfunktionen.

Ermittlungsfunktion
Auf dem Gebiet der Ermittlungszuständigkeiten erfuhr das Amt durch die Novellierungen eine beachtliche Kompetenzerweiterung. Die Auftragszuständigkeit wurde auf Fälle der Beauftragung durch den Generalbundesanwalt ausgedehnt (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 BKA-Gesetz). Vor allem aber erhielt das Amt erstmals seit seinem Bestehen originäre Strafverfolgungsaufgaben, und zwar in Fällen des international organisierten, ungesetzlichen Handelns mit Waffen, Munition, Sprengstoffen oder Betäubungsmitteln und der international organisierten Herstellung oder Verbreitung von Falschgeld, die eine Sachaufklärung im Ausland erforderlich machen sowie damit im Zusammenhang begangenen Straftaten (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BKA-Gesetz). Die Bekämpfung des Terrorismus zählt dagegen nicht zu den originären Zuständigkeiten des BKA. Dies ist angesichts der in diesem Kriminalitätsbereich auf der Hand liegenden überregionalen und internationalen Verflechtungen sowie der hohen Tätermobilität schwer verständlich. Hier kann das BKA erst dann tätig werden, wenn es im Einzelfall - in der Regel vom Generalbundesanwalt - beauftragt wird. Dem BKA obliegt ferner die Verfolgung von Straftaten gegen Leben oder Freiheit des Bundespräsidenten, von Mitgliedern der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesverfassungsgerichts oder von Staatsgästen und Angehörigen diplomatischer Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland, wenn anzunehmen ist, dass der Täter aus politischen Motiven gehandelt hat und die Tat bundes- oder außenpolitische Belange berührt (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 BKA-Gesetz).

Unterstützungs- und Zuweisungsfunktion
Das BKA hat das Recht, auf Ersuchen oder nach eigenem Ermessen im Einzelfall Beamte zur Unterstützung der polizeilichen Ermittlungsbehörden der Bundesländer zu entsenden oder im Einvernehmen mit der Justiz und den zuständigen Landesbehörden bei über den Bereich eines Landes hinausgreifenden Tatzusammenhängen die Strafverfolgung einem Land zuzuweisen (§§ 6, 7 BKA-Gesetz).

Schutz- und Begleitdienst
Während das BKA durch die Novellierungen von 1969 und 1973 auf dem Gebiet der Strafverfolgung eine Kompetenzerweiterung erfuhr, ist die vorbeugende Verbrechensbekämpfung nach wie vor Sache der Länder. Eine Ausnahme ist der Schutz der Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes sowie in besonderen Fällen der Gäste dieser Verfassungsorgane aus anderen Staaten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BKA-Gesetz), sowie der innere Schutz der Dienst- und Wohnsitze sowie der jeweiligen Aufenthaltsräume des Bundespräsidenten, der Mitglieder der Bundesregierung und in besonderen Fällen ihrer Gäste aus anderen Staaten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BKA-Gesetz). Hier sichert das BKA als Bundesbehörde das Funktionieren zentraler staatlicher Organe des Bundes. Die durch die Novelle von 1973 in das BKA-Gesetz eingefügte Vorschrift ist jedoch keine neue Aufgabe. Sie stellt lediglich eine von der sogenannten Sicherungsgruppe des BKA seit 1951 aufgrund eines Erlasses des Bundesinnenministeriums ausgeübte Funktion auf eine gesetzliche Grundlage.

Internationale Zusammenarbeit
Als weitere zentrale Aufgabe nimmt das BKA die Funktion des Nationalen Zentralbüros der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (*Interpol) für die Bundesrepublik Deutschland wahr (§ 1 Abs. 2 BKA-Gesetz). Der zur Durchführung der Bekämpfung des internationalen Verbrechers notwendige Dienstverkehr mit ausländischen Polizei- und Justizbehörden ist dem BKA vorbehalten. Für die Grenzgebiete können Ausnahmen zugelassen werden (sog. kleiner Grenzverkehr, § 10 BKA-Gesetz).
Daneben ist das BKA in eine Vielzahl bilateraler und internationaler Vereinbarungen eingebunden, insbesondere im Rahmen der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität (z.B. Rauschgift-Verbindungsbeamten) und des Terrorismus.

Spezialgesetzliche Aufgaben des BKA
Kaum bekannt ist in der Öffentlichkeit, dass dem Amt über die im BKA-Gesetz genannten Zuständigkeiten hinaus spezialgesetzlich zugewiesene Aufgaben obliegen, die teils mehr ordnungsbehördlicher Art sind, teils im Zusammenhang mit seiner Funktion als Zentralstelle stehen, wie die Erteilung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen (§ 33d Abs. 2 GewO) zum gewerbsmäßigen Betreiben für sogenannte "andere Spiele mit Gewinnmöglichkeiten", die Zulassung von Ausnahmen nach dem Waffengesetz (§ 37 Abs. 3 WaffG), Aufgaben nach der Waffen-Verordnung (§§ 26-28 1. WaffVO) sowie nach dem Betäubungsmittelgesetz (§ 27 Abs. 1 BTMG).

Teil II
Im folgenden soll dargestellt werden, wie das BKA seine auf der Verfassung beruhenden und durch das BKA-Gesetz beschriebenen Aufgaben wahrnimmt.
Dabei werden anhand ausgewählter Bereiche Fragen und Problemstellungen aus kriminalistisch-kriminologischer Sicht erörtert.

Entwicklung und Ausbaustand des Amtes
Das BKA hat sich entsprechend seinem Aufgabenzuwachs durch seinen sprunghaften materiellen und personellen Ausbau, insbesondere in den 70er Jahren, zu einer - auch baulich sichtbaren - Großbehörde mit Standorten in Wiesbaden und Meckenheim bei Bonn entwickelt. Der Weg von einer "Briefkastenbehörde" zu einer modernen Informations- und Kommunikationszentrale der deutschen Polizei mit wichtigen Exekutivbefugnissen spiegelt sich auch in Zahlen wider:
Ende 1951 betrug der Personalbestand des Amtes 231 Bedienstete; das Haushaltsvolumen belief sich auf 3,6 Mio DM.
Ende 1988 verfügte das Amt über 3.771 Bedienstete. Davon gehören 1.661 dem Vollzugsdienst an und zwar 177 dem höheren und 1.484 dem gehobenen Dienst. Die Zahl der Angestellten betrug Ende 1988 1.361. Die übrigen Bediensteten sind Verwaltungsbeamte, Lohnempfänger und Auszubildende.
1.111 der insgesamt 3.771 Beschäftigten sind weiblich.
Der Haushalt hatte 1988 ein Volumen von rund 320 Mio DM.
Die Größe einer Behörde ist jedoch für sich genommen noch kein Indiz für ihre Effizienz. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Infrastruktur (Führungs- und Organisationsstrukturen, Leistungspotential der Beschäftigten, technische Ausstattung aber auch Amtsstrategie und Amtskultur) an, die immer wieder darauf zu überprüfen ist, ob sie noch in der Lage ist, flexibel auf neue Erscheinungsformen und Tendenzen der Kriminalität, insbesondere in ihrer organisierten Form, zu reagieren.

Zur Personalstruktur
Die Aufgaben- und Tätigkeitsfelder des BKA stellen einen hohen Anspruch an das Qualitäts-und Leistungsniveau der Bediensteten. So sind im Bereich der Zentralstellenaufgaben, wie z. B. im Auswertungssektor, besondere analytische Fähigkeiten notwendig. Für den Ermittlungsbereich, besonders auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität, ist die Fähigkeit zur Erfassung komplexer Sachverhalte und die Bereitschaft zur Teamarbeit Voraussetzung. Die internationale Aufgabenstellung des BKA verlangt entsprechende Sprachkenntnisse und einschlägige Erfahrungen im Rechtshilfeverkehr mit anderen Staaten.
Ein solches Anforderungsprofil unterscheidet sich wesentlich von dem eines Kriminalbeamten der Länder, soweit dieser nicht bei einem Landeskriminalamt mit zum Teil ähnlicher Aufgabenstruktur tätig ist.
Auswahl und Ausbildung der BKA-Beamten müssen sich an diesen Anforderungen orientieren, andererseits ist aber ein "Bundes-Kriminalbeamter" eigener Prägung nicht umproblematisch. Das Amt ist auf die enge Zusammenarbeit mit den Ländern angewiesen. Das setzt voraus, dass der Vollzugsbeamte des BKA die Denk- und Handlungsweisen der Beamten vor Ort kennt. Hier hat sich die inzwischen von Bund und Ländern eingeführte Fachhochschulausbildung, deren Ausbildungsinhalte im wesentlichen übereinstimmen, als förderlich erwiesen. Dieses Studium darf aber nicht zu einer aus der Sicht der Praxis überzogenen "Verwissenschaftlichung" führen. Für die Ausbildung im BKA haben diese Bedenken besonderes Gewicht, weil das Amt seinen Nachwuchs für den gehobenen Kriminaldienst vernehmlich nicht, wie die meisten Länder, aus dem mittleren Dienst der Schutz- und Kriminalpolizei rekrutiert, sondern überwiegend Fachhochschulabsolventen und Abiturienten - meist ohne Berufserfahrung - als sogenannte freie Bewerber einstellt.
Deshalb sieht das 3jährige Fachhochschulstudium für BKA-Studierende ein 12monatiges Fachpraktikum bei Polizeidienststellen der Länder und ein 6monatiges Praktikum im Bundeskriminalamt vor. Darüber hinaus kommt der Übernahme von Vollzugsbeamten der Länder oder des Bundesgrenzschutzes in das BKA in diesem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung zu.
Dem höheren Kriminaldienst des BKA gehören sowohl qualifizierte Aufstiegsbeamte aus dem gehobenen Kriminaldienst des Amtes, als auch Hochschulabsolventen mit einem dem Kriminaldienst förderlichen Hochschulstudium an. Der Vorbereitungsdienst dauert mindestens 2 Jahre. Die Ausbildung in Theorie und Praxis erfolgt zunächst im Bundeskriminalamt, danach bei Kriminaldienststellen in den Bundesländern und endet mit einem einjährigen Abschlußlehrgang zusammen mit Kollegen der Schutz- und Kriminalpolizei der Länder und des Bundesgrenzschutzes an der Polizei-Führungsakademie (PFA) in Münster. Dadurch wird die spätere Zusammenarbeit auf der polizeilichen Führungsebene, insbesondere bei länderübergreifenden Großlagen, gefördert. Bewerber mit dem 2. juristischen Staatsexamen absolvieren kein zusätzliches Studium an der PFA. Sie werden beim BKA und in den Ländern in die polizeiliche Praxis eingeführt und absolvieren danach ein 6monatiges Sonderseminar an der PFA.

Grundsätzliches zur Aufgabenstellung des BKA Der durch das BKA-Gesetz in der heute gültigen Fassung geregelte Aufgabenbereich geht über den Wortlaut der Artikel 73 Nr. 10 und Artikel 87 GG hinaus:
Die Verfassung weist dem Bund die Zuständigkeit zur Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei sowie in der internationalen Verbrechensbekämpfung zu (Artikel 73 Nr. 10). Nach Artikel 87 GG kann er zu diesem Zweck in bundeseigener Verwaltung Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen für die Kriminalpolizei errichten.
Entsprechend dieser Verfassungslage legte das BKA-Gesetz von 1951 das Schwergewicht auf die Zentralstellenfunktion des BKA.
Die Ausweitung der Auftragszuständigkeit des Amtes, insbesondere aber die Zuweisung originärer Ermittlungszuständigkeiten durch die Gesetzesänderungen von 1969 und 1973 stellen demgegenüber eine wesentliche - von den Ländern mitgetragene - Kompetenzerweiterung dar.
Dies hat rechtliche und praktische Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den Ländern.
Mit der rechtlichen Seite hat sich in neuerer Zeit ausführlich Ahlf auseinandergesetzt. Zur praktischen Seite ist folgendes anzumerken:

Schwerpunktbereiche der Verbrechensbekämpfung durch das BKA

BKA-Gesetz und Praxis
Das BKA-Gesetz zählt zwar die Aufgabenfelder auf, unterläßt jedoch Schwerpunktsetzungen. Dies ist sinnvoll, damit das Amt seine Ressourcen den aktuellen Erscheinungsformen der Kriminalität entsprechend im Sinne einer effizienten Verbrechensbekämpfung einsetzen kann. Dabei wirken in der Praxis auch kriminalpolitische Vorgaben auf die Schwerpunktbildung ein. Im BKA hat dies dazu geführt, dass seit den 70er Jahren auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung ein Schwerpunkt gebildet wurde, obwohl das Amt hier keine originäre Zuständigkeit besitzt. In den letzten Jahren wurden daneben bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität und des organisierten Verbrechens Prioritäten gesetzt. Für andere Aufgabenfelder, wie z.B. der Wirtschafts- sowie die Umweltkriminalität ist dies bisher in dem Maße nicht erfolgt.

Verhältnis Zentralstellenfunktion - Ermittlungsfunktion
Das BKA hat sowohl Aufgaben in seiner Funktion als Zentralstelle wie auch auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahrzunehmen. Dabei läßt das BKA-Gesetz offen, welchen Stellenwert die jeweiligen Aufgabenbereiche haben. Seit den 70er Jahren verlagerten sich die Prioritäten deutlich von der Wahrnehmung der Zentralstellenaufgabe hin zur operativen Ermittlungstätigkeit, so dass in Teilbereichen die Auswertung nachrangig war. Dadurch entstanden einerseits Informationseinbußen und, was den Ermittlungsbereich betrifft, nicht selten Konkurrenzsituationen zu den Länderpolizeien. Inwieweit hier künftig eine Neugewichtung im Hinblick auf eine stärkere Betonung der Zentralstellenaufgabe vorzunehmen ist, wird zu prüfen sein.

Zusammenarbeit Bund-Länder
Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben ist das BKA auf die Unterstützung und Zusammenarbeit der Länder angewiesen. Insoweit verpflichtet § 3 BKA-Gesetz die Länder, zur Sicherung der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in ihren Bereichen zentrale Dienststellen der Kriminalpolizei (Landeskriminalämter) zu unterhalten. Diese haben dem BKA die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Nachrichten und Unterlagen zu übermitteln (§ 3 Abs. 1 BKA-Gesetz). Eine nähere Beschreibung über Art und Umfang sowie die Form der Übermittlung der Informationen fehlt jedoch im BKA-Gesetz. Eine Vielzahl von Gremien, Kommissionen und Arbeitsgruppen mit Vertretern der Länder und des Bundes bemühen sich auf der politischen wie der polizeilichen Ebene, diese und andere gemeinsam berührende Fragen möglichst einvernehmlich zu klären. Zu nennen sind auf der politischen Ebene die "Ständige Konferenz der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder" (IMK) sowie der Arbeitskreis "Öffentliche Sicherheit" (AK II) der Leiter der Polizeiabteilungen der Innenministerien.
Der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter mit dem BKA (AG Kripo) und ihren zahlreichen Fachkommissionen (z.B. im Bereich Rauschgift, Datenverarbeitung, Fort- und Spezialausbildung) obliegt die Umsetzung in die polizeiliche Praxis. Dabei werden die zu behandelnden Themen und Maßnahmen nicht nur von "oben nach unten" gesteuert; sie werden auch von der polizeilichen Arbeitsebene aufgegriffen und den oberen Entscheidungs- und Planungsgremien zugeleitet.
Die Abstimmungsprozesse in den Gremien sind zwar oft kosten-, personal- und zeitaufwendig, stellen jedoch sicher, dass alle Beteiligten in den Entscheidungsprozeß einbezogen werden. Trotzdem wäre es aus der Sicht der Zentralstelle wünschenswert wäre, in bestimmten Fällen eine Weisungsbefugnis gegenüber den Ländern zu besitzen. Dies wird in der Literatur kontrovers diskutiert.
In den Fällen, in denen das BKA die Ermittlungen führt, sind seine Vollzugsbeamten befugt, im ganzen Bundesgebiet strafprozessuale Amtshandlungen vorzunehmen.
Im Zusammenhang mit der Übertragung eines Falles im Wege der Auftragszuständigkeit kann es im Einzelfall zu Nahtstellenproblemen mit den Ländern kommen. So sind Fälle denkbar, die dem BKA erst dann angetragen werden, nachdem zunächst ein Land damit (erfolglos) befaßt war. Hinzu kommt, dass dem BKA in manchen Fällen, für die der regionale Bezug für die Fallaufklärung wesentlich ist, das notwendige Hintergrundwissen fehlt (Milieukenntnisse, Ortskenntnisse pp). Andererseits erfordert die Übernahme von Auftragsfällen häufig besonders hohe Sach- und Personalmittel, über die die Länder nicht immer verfügen.
Im Zusammenhang mit den originären Ermittlungszuständigkeiten des BKA ist festzuhalten, dass dadurch keine umfassende, zentralgesteuerte Bekämpfung der Schwerkriminalität erreicht wird. Dies liegt an der gesetzlichen Beschränkung auf einige Erscheinungsformen der Schwerkriminalität wie Rauschgift, Waffen und Falschgeld. Für andere Straftatenkomplexe, z.B. Wirtschafts- und Umweltkriminalität, bleibt es bei der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder. Im übrigen ist in Fällen, in denen eine Landespolizeidienststelle vorher die Ermittlungen geführt hat, nicht immer sofort erkennbar, ob die Voraussetzungen für eine Übernahme des Verfahrens durch das BKA vorliegen; bis dahin bleiben die Länder zuständig. Hier bedarf es schon im Vorfeld der Übernahme einer engen Kooperation zwischen Zentralstelle und Landesdienststelle, um Informationsverluste und Ermittlungsdefizite zu vermeiden.
Eine weitere Schwierigkeit im Rahmen der originären Zuständigkeiten ist darin zu sehen, dass das BKA keine vorbeugende "Aufklärungsarbeit" leisten darf. Gerade in den fraglichen Kriminalitätsbereichen ist die Täterstrategie darauf angelegt, den Strafverfolgungsbehörden möglichst wenig Ermittlungsansätze zu bieten. Durch eine aktive Informationsbeschaffung bereits im Vorfeld eines Verdachtes würden die Möglichkeiten zur Früherkennung kriminogener Entwicklungstendenzen und deren erfolgreiche Bekämpfung im Sinne einer vorbeugenden Verbrechensbekämpfung nicht unerheblich verbessert. Ob und inwieweit in diesem Zusammenhang ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, soll hier nicht erörtert werden.

Aktuelle Probleme der internationalen Zusammenarbeit
Die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung gewinnt nicht zuletzt im Hinblick auf den Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Binnengrenzen der Benelux-Staaten, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland sowie der zunehmenden Internationalisierung des Verbrechens an Bedeutung.
Um die durch den Wegfall der Grenzkontrollen entstehenden Sicherheitsdefizite aufzufangen, vereinbarten die betroffenen Staaten im sogenannten Schengener Abkommen vom 14.06.1985 Ausgleichsmaßnahmen, wie die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Zoll- und Polizeibehörden und den Aufbau eines Informationssystems, das die Fahndungsnotierungen der Mitgliedstaaten in den gegenseitigen on-line-Zugriff stellt. Daneben sollen Maßnahmen ergriffen werden im Bereich des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln und Waffen, der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthaltes von Personen sowie der Steuer- und Zollhinterziehung und des Schmuggels.
Im übrigen ist derzeit noch weitgehend offen, wie sich künftig die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im europäischen Raum gestalten wird. Angesichts des Souveranitätsdenkens und der unterschiedlichen Rechtssysteme und Organisationsstrukturen der einzelnen europäischen Staaten dürfte die Zielvorstellung eines Europäischen Kriminalpolizeiamtes (EUROPOL) sobald nicht zu verwirklichen sein.

Ausblick
Die besondere verfassungsrechtliche Stellung gegenüber den Ländern im förderativen System, die komplexe Aufgabenstruktur, der hohe Grad der Spezialisierung und seine Funktion im Rahmen der internationalen Verbrechensbekämpfung kennzeichnen die derzeitige Position des Bundeskriminalamtes.
Bereits jetzt ist abzusehen, dass die bevorstehende Wiedervereinigung mit der DDR, die revolutionären Entwicklungen in Osteuropa sowie das Zusammenwachsen der EG nachhaltige Auswirkungen auf das gesamte Sicherheitssystem in der Bundesrepublik haben wird. Das BKA ist davon sowohl in seiner Funktion als nationale als auch als internationale Zentralstelle betroffen. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass es künftig vermehrte direkte, bilaterale Kontakte der Bundesländer insbesondere mit deren europäischen Nachbarstaaten geben wird und dadurch der dem BKA bisher grundsätzlich vorbehaltene Dienstverkehr mit ausländischen Dienststellen zunehmend in Frage gestellt ist.
Auch im deutsch-deutschen Verhältnis werden die föderativen Strukturen die Sicherheitspolitik bestimmen. So muß sich das BKA voraussichtlich auf die Zusammenarbeit mit weiteren fünf Landeskriminalämtern (Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt) einstellen. Der politische Umbruch bietet aber die Chance, die Zusammenarbeit zwischen dem BKA und den Bundesländern sowie mit den europäischen Staaten, soweit notwendig und zweckmäßig, neu zu gestalten. Dabei könnte sich das BKA von folgenden Vorstellungen leiten lassen:
Die Informationssammlung und -auswertung sowie der Nachrichtenaustausch im nationalen wie im internationalen Bereich sollte künftig eine zentrale Aufgabe des Amtes sein. In diesem Zusammenhang erscheint das bisherige Auswertungs- und Meldesystem reformbedürftig (Kriminalpolizeilicher Meldedienst).
Die Ermittlungsaufgaben sollten auf solche Ermittlungsfelder konzentriert werden, die das Amt aufgrund seiner Funktion als zentrale Kriminalbehörde des Bundes und als Schnittstelle zur internationalen Verbrechensbekämpfung am besten wahrnehmen kann. Dabei könnte sich die Auswahl der Fälle an den Kriterien der Internationalität, dem Organisationsgrad und dem Maß der Sozialschädlichkeit orientieren.
Zur Intensivierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf europäischer und internationaler Ebene bieten sich insbesondere gemeinsame Aus- und Fortbildungsveranstaltungen, gemischte Ermittlungs- und Fahndungsgruppen sowie der Ausbau des Netzes von Verbindungsbeamten bis hin zum föderativen Aufbau eines Europäischen Kriminalamtes an.
Für den Bereich der Zentralstellenaufgabe "Kriminaltechnik" wurde auf der Jahrestagung 1989 im BKA bereits über Modelle einer europäischen Arbeitsteilung nachgedacht. Daneben ist es vorstellbar, dass die kriminalistisch-kriminologische Forschung im Sinne einer Konzentration der Mittel europaweit stärker koordiniert, oder sogar etwa in Form eines europäischen Forschungsinstituts konzentriert wird.
Ausgehend von den skizzierten veränderten Rahmenbedingungen erarbeitete das BKA 1989/1990 einen "Orientierungsrahmen", mit dem die unternehmensphilosophischen, strategischen und organisatorischen Leitvorstellungen des Amtes für die 90er Jahre formuliert wurden. Es ist zu erwarten, dass dadurch Impulse zu Prioritätenverlagerungen in der angedeuteten Richtung bewirkt werden.

Literatur:V - Ahlf, E.-H.: "Das Bundeskriminalamt als Zentralstelle". Sonderband der BKA-Forschungsreihe, Bundeskriminalamt (Hrsg.) Wiesbaden 1985.
- Büchler, H.: Zur organisatorischen Gestaltung nationaler, zentraler Einrichtungen der Verbrechensbekämpfung - Aufgabenwandelung und organisatorische Anpassung im kriminalpolizeilichen Bereich, Diss. Gießen 1985.
- Ders.: Anforderungen an eine zukunftsgerechte Gestaltung der Kriminalitätskontrolle. In: PFA-Seminarbericht, hier: Planung der Verbrechensbekämpfung, Organisation der Verbrechensbekämpfung. Münster 1990.
- Hessel, H.-J. in: Kommentar zum Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes (BKA-Gesetz), Gewerkschaft der Polizei, Bezirksgruppe Bundeskriminalamt (Hrsg.). Wiesbaden 1979.
- Kubica, J.; Leineweber, H.: Grundfragen zu den Zentralstellenaufgaben des Bundeskriminalamtes. Neue Juristische Wochenschrift 1984, H. 37, 2057-2120.

Entnommen mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik-Verlages Heidelberg aus der gedruckten Version des Kriminologie-Lexikons, Stand der Bearbeitung: 1991

Dieter Kettelhöhn
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