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Europol
 
Allgemeines: Europol (www.europol.eu.int) ist das unabhängige Polizeiamt der Europäischen Union und Serviceeinrichtung für die Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten. Bevor Europol gegründet wurde, wurde in der Europäischen Gemeinschaft der Austausch von polizeilichen Ermittlungsergebnissen und Praxiserkenntnissen durch den TREVI ("Terrorisme, Radicalisme, Extrémisme, Violence Internationale") - Arbeitskreis gesteuert. Dieser wurde 1976 von den Innenministern der Mitgliedsstaaten zum Austausch von Ermittlungsergebnissen und Praxiserfahrungen gegründet.
Konstituiert wurde Europol 1992 durch den Vertrag über die Europäische Union (EUV) im niederländischen Maastricht. 1998 erhielt Europol eigene Rechtspersönlichkeit. Dienstsitz ist Den Haag, Raamweg 47, NL-2596 HN The Hague, Niederlande. Die Amtssprachen der Behörde entsprechen den europäischen Amtssprachen, die Arbeitssprache ist englisch. Europol beschäftigt 610 Mitarbeiter, darunter 105 Verbindungsbeamte, die über eine Abordnung als Vertreter der mitgliedsstaatlichen Strafverfolgungsbehörden (in Deutschland das Bundeskriminalamt) bei Europol arbeiten (Stand: 2007). Mitarbeiter aus Staaten mit strategischem oder operativem Kooperationsabkommen können ebenfalls dort tätig werden. Die Bediensteten von Europol genießen Immunität wie beispielsweise Abgeordnete. Die Behörde arbeitet rund um die Uhr im Schichtbetrieb.
Europol hat den Auftrag, die Tätigkeit der EU-Mitgliedsstaaten bei der Strafverfolgung, der Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität zu unterstützen und zu verstärken. Schwerpunkte sind dabei der illegale Drogenhandel, Schleusungskriminalität, Terrorismus, Geldfälschung insbesondere des Euro und anderen Arten von Zahlungsmitteln, Menschenhandel einschließlich Kinderpornographie, Kraftfahrzeugverschiebung und Geldwäsche. Weitere Prioritäten sind die Bekämpfung von Verbrechen gegen Personen, Finanzbetrug und Computerkriminalität.
Operativ initiiert Europol Ermittlungen, begleitet Ermittlungen und unterstützt diese. Schwerpunkt ist der Austausch von (personenbezogenen) Informationen durch Sammlung, Zusammenstellung und Analyse. Weiterhin will Europol die Kriminalitätsanalyse und Ermittlungstechniken in den Mitgliedsstaaten harmonisieren. Europols Mitarbeiter arbeiten als Unterstützer der Strafverfolgungsbehörden, wobei im Unterschied zu nationalen Polizeikräften Europol nicht über die Möglichkeit verfügt, polizeiliche Zwangsmaßnahmen vorzunehmen. Seit 2002 können Europol-Beamte auch an Ermittlungsgruppen teilnehmen oder Mitgliedsstaaten ersuchen, Ermittlungen aufzunehmen, die Handlungsbefugnisse entsprechen dabei dem Zivil- und Strafrecht des jeweiligen Mitgliedsstaates. Der Austausch von Informationen und Erkenntnissen der einzelnen Nationalstaaten erfolgt ausschließlich über die nationalen Verbindungsstellen, die jeweils ein Verbindungsbüro (VB) in Den Haag betreiben. Das deutsche VB unterliegt der Dienst- und Fachaufsicht des Bundeskriminalamtes (BKA).

Rechtlicher Rahmen: Vertragsgrundlage der Arbeit Europols ist der Art. 29, 30 und 31 des Vertrages über die Europäische Union (EUV). Politisch wird Europol durch den Rat der EU als auch durch das Europäische Parlament kontrolliert. Weitere Rechtsgrundlagen sind das Europol-Gesetz, das Europol-Auslegungsprotokollgesetz, das Europol-Übereinkommen (EPAÜE), das Protokoll auf Grund von Artikel K.3 (Übereinkommen Europ. Polizeiamt) sowie das Protokoll aufgrund von Artikel K.3 (Immunität für Europ. Polizeiamt) und die Geschäftsordnung der Gemeinsamen Kontrollinstanz von Europol.

Historische Meilensteine: /1991: Der Gedanke, ein europäisches Polizeiamt zu gründen, geht im Europäischen Rat von Luxemburg auf die Initiative des damaligen Bundeskanzlers Kohl zurück. /1992: Im Maastrichter Vertrag über die Europäische Union wird die Einrichtung des Europäischen Polizeiamtes (Europol) beschlossen. Der Vertrag von Maastricht sieht eine innereuropäische polizeiliche Zusammenarbeit durch ein Austauschsystem im Rahmen eines Europäischen Polizeiamtes vor. /1994: Aufnahme erster Aktivitäten der Vorläuferorganisation als "Europol-Drogenstelle" in Den Haag. /1995: Unterzeichnung des Europol-Übereinkommens durch die 15 EU-Staaten. /1997: Amsterdamer Vertrag: Seit der Vertrag in Kraft ist, ist die Europäische Kommission an allen Europol-Themen (mit Ausnahme der operativen Maßnahmen) umfassend beteiligt. Diese Beteiligung beruht auf dem zwischenstaatlichen Teil des Vertrags über die Europäische Union, zu dem die polizeiliche und auch justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen gehört. Ratifizierung des Europol-Übereinkommens durch den Deutschen Bundestag. /1998: Europol erlangt durch das Inkrafttreten des Europol-Übereinkommens eine eigene Rechtspersönlichkeit als europäische Behörde. /1999: Aufnahme der operativen Arbeit: Mit der Ratifizierung des Europol-Übereinkommens durch alle Mitgliedstaaten der EU nahm die Organisation am 1. Juli 1999 ihre Tätigkeit in Den Haag auf. /2005: Europol wird durch Ratsbeschluss Europäische Zentralstelle zur Bekämpfung der Euro-Falschgeldkriminalität.

Finanzierung: Die Finanzierung erfolgt aus dem EU-Haushalt (mittels des Bruttosozialprodukt-Schlüssels), das Budget für 2007 betrug 70,5 Mio. Euro. Die Ausgaben unterliegen der Überprüfung durch den Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften. Die Kontrolle von Europol wird durch den Rat der EU-Justiz- und -Innenminister, dem Verwaltungsrat und der sog. Gemeinsamen Kontrollinstanz vorgenommen.

Organisation: Die Organe (Art. 27 ff. EPAÜE) sind der Verwaltungsrat, der Direktor, der Finanzkontrolleur, der Haushaltsausschuss und die Gemeinsame Kontrollinstanz für den Datenschutz, die Finanzkontrolle sowie der Finanzausschuss. Der Verwaltungsrat legt u. a. die Ziele von Europol fest, die Rechte und Pflichten der Verbindungsbeamten, bestimmt die Voraussetzungen für die Verarbeitung der Daten, die Durchführungsbestimmungen für die Arbeitsdateien und prüft die Probleme, die durch die Gemeinsame Kontrollinstanz angezeigt wurden. Er tritt mindestens zweimal jährlich zusammen. Die Kontrolle Europols durch die europäischen Staaten erfolgt in diesem Gremium. Die parlamentarische Kontrolle von Europol durch das Europäische Parlament findet in Form eines jährlichen Sonderberichtes, den Europol erstellt, statt; bei Änderungen des Europol-Übereinkommens wird das Europäische Parlament angehört. Der Direktor ist der gesetzliche Vertreter von Europol, er ist verantwortlich für die Erfüllung der an Europol übertragenen Aufgaben und ist gegenüber dem Verwaltungsrat rechenschaftspflichtig. Derzeitiger Direktor ist seit 2005 der Deutsche Max-Peter Ratzel, der Nachfolger des Deutschen Jürgen Storbeck. Der Direktor von Europol wird durch eine Stellungnahme des Verwaltungsrates nominiert und vom Rat der EU-Justiz- und -Innenminister für vier Jahre ernannt.

Informationssysteme: TECS (The Europol Computer System) ist die Computerdatenbank, die im wesentlichen von den mitgliedsstaatlichen Strafverfolgungsbehörden mit Daten und Informationen versorgt wird. TECS dient dem Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren von Daten aus den Mitgliedsstaaten und aus Ländern auch außerhalb der EU. Hierzu gehören Personendaten, z. B. von Personen, die eine Straftat begangen haben oder auf Tatsachen hinweisen, dass sie eine solche begehen werden. Außerdem werden Daten über Personen gespeichert, die als Zeugen in Betracht kommen oder Opfer einer Straftat geworden sind. Europol erstellt mit diesen Daten Analysen und Berichte auf der Grundlage der Informationen und Erkenntnisse der Mitgliedsstaaten und offen zugänglichen Informationsquellen. Zwischen den Europol-Verbindungsbüros untereinander und zu Europol werden vertrauliche Daten über das "Info-ex"-System ausgetauscht. Die Europol-Arbeitsdateien werden auch als "AWF" (Analytical Working File) bezeichnet. Europol erstellt seit 2006 einen Gefährdungs- und Risikoanalysenbericht, den sog. OCTA (Organised Crime and Threat Assessment). Daneben veröffentlicht Europol jährlich einen Rechenschaftsbericht und den TE-SAT (Terrorism Situation und Trend Report).

Zusammenarbeit: Neben der Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten arbeitet Europol binational auf der Grundlage bilateraler Verträge oder strategischer Partnerschaften mit Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kanada, Kolumbien, Kroatien, die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, Island, Moldawien, Norwegen, Russland, Schweiz, Türkei und den USA zusammen.
Eine institutionelle Zusammenarbeit findet mit Eurojust (Europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit), der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission, OLAF (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung), The European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA), Interpol, der United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) und der World Customs Organisation (WCO) statt.

Kritik: Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, dass der Rechtsschutz gegen Maßnahmen von Europol mit der in Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen Rechtsweggarantie kollidiert. Bei dem Beschluss des Europol-Übereinkommens im Deutschen Bundestag, insbesondere zu der Vereinbarkeit der rechtsstaatlich einwandfreien Datenverarbeitung und der Anlage von Analysedateien von nicht straffällig gewordenen Bürgern, wurden verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Auch die Immunität der Polizeibeamten, die eine Einmaligkeit in der europäischen Rechtsgeschichte darstellt, wurde trotz Kritik mit großer Mehrheit mit dem Immunitätsprotokoll (Protokoll aufgrund von Artikel K.3 (Immunität für Europ. Polizeiamt)) im Deutschen Bundestag verabschiedet.

Literatur:
- Baldus, M., 2000: Polizeirecht des Bundes mit zwischen- und überstaatlichen Rechtsquellen, Heidelberg
- Gus, C. / Schewe, C. S. 2004: Die Rechts- und Asylpolitik der Europäischen Union, in: Weidenfeld, Werner, Europa-Handbuch, Band I, dritte akt. Auflage, Gütersloh
- Mokros, R., Europol - so nicht!, unter: www.humanistische-union.de/themen/innere_sicherheit/sicherheit_freiheit/mokros_europol/, 21.03.2008.

Schlüsselwörter:
Europäische Polizei
Polizeiorganisation
Europäische Institution

Marcus Weller
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