Folterprävention Die Idee: Prävention ist auch ein Weg
Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts lancierte der Genfer Bankier Jean-Jacques Gautier die Idee, auf der ganzen Welt Besuchssysteme einzurichten, welche an den Risikoorten, d.h. dort wo Folter und erniedrigende und unmenschliche
Behandlung geschehen, präventiv tätig sind. Er ließ sich durch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes inspirieren, das solche Besuche schon seit Jahrzehnten in Konfliktgebieten durchführt. Präsent sein, bevor Folter geschieht! Eigentlich ein einfacher und einleuchtender Plan, aber zu seiner Realisierung brauchte und braucht es noch immer eine grosse Portion Hartnäckigkeit. Gautier verliess seine Bank und verschrieb sich voll und ganz seiner Idee. Im UNO-System sollte dieses Besuchssystem Platz finden, Expertinnen und Experten sollten zu jeder Zeit in jedem Vertragsstaat alle Haftorte besuchen können - nicht um aufzudecken und Skandalberichte zu schreiben, sondern um Risiken von Folter und unmenschlicher
Behandlung aufzuspüren und diese, in Zusammenarbeit mit den besuchten Staaten, zu neutralisieren.
Die Maßnahmen
Gautier gründete 1977 das Schweizerische Komitee gegen die Folter, das sich der Realisierung der Idee und der dazu nötigen Lobbyarbeit widmete. Die Geschichte dieses Komitees, das 1991 in die international tätige Menschenrechts-NGO "Association for the Prevention of Torture - APT" umgewandelt wurde, ist ein schönes Beispiel, wie Völkerrecht auf Anregung und hartnäckigen Druck der Zivilgesellschaft entstehen kann (s. www.apt.ch).
Es zeigte sich jedenfalls Ende der siebziger Jahre, dass die Anstrengungen zur Schaffung eines UNO-Instruments zur Folterprävention schwierig und äusserst zäh waren - die Karten standen im Europarat, allerding "nur" für ein europäisches regionales Instrument, viel besser. Das Komitee, zusammen mit anderen unterstützenden NGO's entschied sich 1984 für diesen Weg und bereits 1987 lag die Europäische Konvention für die Verhütung von Folter im Europarat zur Ratifikation auf. "Niemand wird so einem Vertragswerk beitreten, das in heikleste Gebiete der nationalen Souveränität eingreift" sagten die üblichen Propheten, aber sie hatten Unrecht: Innerhalb von 2 Jahren hatte die Mehrheit der 21 damaligen Mitglieder des Europarates ratifiziert, 1989 trat der Konvention in Kraft und 1990 wurden die ersten vier Staaten, Österreich, Vereinigtes Königreich, Dänemark und Malta durch die Expertenbehörde der Konvention, das CPT (Committee for the Prevention of Torture) besucht. Heute sind alle Mitglieder des Europarates Vertragsstaaten, und im Durchschnitt werden pro Jahr 10 Staaten durch das CPT besucht.
Die Besuche waren am Anfang gewöhnungsbedürftig. 1990, als das CPT England besuchte, konnte man in der Boulevardpresse besorgte Anfragen an Mrs. Thatcher lesen, was da eine "bunch of continental bureaucrats" ihre Nase in die britischen Gefängnisse zu stecken habe.
Einige wesentliche Elemente des Systems:
- Das CPT besteht aus unabhängigen Experten, die vom Europarat gewählt werden, eine Expertin/ein Experte pro Vertragsstaat.
- Das CPT besucht Haftorte (Gefängnisse, Polizeireviere, Hafteinrichtungen für Ausländer, Psychiatrische Kliniken, Altenheime) Orte, an denen sich Menschen gegen ihren Willen aufhalten; es ist befugt, unbeaufsichtigt mit allen Personen die sich in den Haftorten aufhalten, zu sprechen und sich ungehindert innerhalb der Haftorte zu bewegen.
- Die Vertragsstaaten werden regelmässig, etwa alle vier Jahre besucht; es gibt auch Besuche zu besonderen Vorkommnissen und solche zur Ueberprüfung, ob die formulierten Empfehlungen umgesetzt wurden.
- Nach seinen Feststellungen verfasst das CPT einen Bericht mit Empfehlungen, der an den besuchten Staat geht und Ausgangspunkt wird für einen kontinuierlichen Dialog. Bericht und Feststellungen sind vertraulich; der Staat kann der Veröffentlichung des Berichts zustimmen. www.cpt.coe.int
Zusammenarbeit und Vertraulichkeit sind die Leitlinien der Arbeit des CPT - das hat zu vielen Diskussionen geführt. Dieselben Diskussionen sind jetzt im Gange bei der Umsetzung de neuen UNO-Präventionsinstrumentes beispielsweise in Brasilien, in Argentinien, in Peru, wo die misstrauischen NGO's Sinn und Aussichten einer solchen Zusammenarbeit nur schwer einsehen. Es geht nicht darum, den Staat wegen Missbräuchen zu verurteilen sondern Personen, denen die Freiheit entzogen ist, zu schützen. Das CPT tagt daher unter Ausschuss der Oeffentlichkeit, die von seinen Delegationen bei den Besuchen erhobenen Fakten sind vertraulich. Nur wenn ein Land die Zusammenarbeit verweigert kann das CPT eine öffentliche Erklärung abgeben, das geschah bisher drei Mal (bei über 200 Besuchen in 18 Jahren).
Das Europäische System funktioniert, aber das genügt nicht. Im Dezember 2002 wurde das UNO-Instrument, das weltweit funktionieren soll, in der UNO-Generalversammlung beschlossen: das Zusatzprotokoll zur UNO Konvention gegen die Folter. Neu an dieser Konvention ist, dass die Vertragsstaaten nicht nur Besuche des UNO-Subkomitees für die Prävention der Folter im Lande zulassen, sondern sich gleichzeitig verpflichten, auf ihrem Staatsgebiet ein nationales Besuchssystem einzurichten. Das Zusatzprotokoll ist im Juni 2006 in Kraft getreten, 64 Staaten haben bisher ratifiziert in vielen Staaten wird an der Ratifikation gearbeitet.
Hindernisse
Hindernissen, die sich gegen die Bekämpfung der Folter ganz allgemein richten und so auch die Präventionsanstrengungen in Frage stellen:
- Die Haltung der Grossen auf dieser Welt: seit September 2001 ist, unter dem Titel Terrorbekämpfung, eine Demontage von bisher eisernen Prinzipien im Gange. Der US Präsident erhebt sein Veto gegen das Verbot der Foltermethode des "water boarding", andere Foltermethoden werden als zulässig erklärt; Guantanamo gehört hierher und auch wenn für Abu Ghraib kein Nachweis eines Befehls von oben vorliegt, wie soll man der Gefreiten Lindsay England gross Vorwürfe machen, wenn ihre Oberen und Obersten seit Anfang 2002 systematisch das Folterverbot untergraben (vgl. "The Torture Papers" von Karen Greenberg und Joshua Dratel. Cambridge University Press 2005)
- Der Umgang gewisser Medien mit Folter: etwa dieFernseh-Serie '24 hours' in den USA, die Einschaltquoten von 15 -20 Millionen erreicht, über brillante Fahnder in schwierigsten Kriminalfällen, die am Ende immer gewinnen, aber nie ohne Foltereinsatz; das Publikum gewöhnt sich an die Botschaft: ohne Folter geht es nicht.
- Die Diskussion über die Zulässigkeit von Folter im
Strafverfahren findet auch in Europa statt. In Frankfurt hat im September 2002 der Vize-Polizepräsident einem Kindesentführer Folter androhen lassen, um den Aufenthaltsort des entführten Kindes zu erfahren. Er wurde vom Strafgericht schuldig befunden und bestraft, aber die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.
Sind die beschriebenen Präventionsmassnahmen erfolgreich? Der Erfolg und die Akzeptanz der Europäischen Konvention lassen auch für das UNO-Instrument, das die Präventionsmechanismen vervielfacht, hohe Erwartungen zu. Die Akzeptanz der Folterprävention ist Voraussetzung dafür, dass eine regionale oder auch universelle Konvention zur Folterverhütung zur richtigen Erfolgsgeschichte wird. In den höher entwickelten Rechtsstaaten hört man oft den Einwand: das habe wir doch nicht nötig. Aber dass die Folterprävention nicht nur nach Burma und in andere rechtlose Regime gehört sondern in Länder, wo Foltermethoden praktisch überwunden sind, beweist das folgende Beispiel: Das CPT hat bei seinem Besuch in Deutschland im Jahre 2000 im Haftzentrum für Ausländer in Eisenhüttenstadt und dort im "besonderen Verwahrraum Nr. 2008" festgestellt, dass vier Eisenringe in den Boden eingelassen waren, an denen inhaftierte Personen am Boden liegend, mit gespreizten Beinen und Armen angekettet werden konnten. Keine Gesellschaft ist gefeit vor solchem, auch die demokratischste und abgeklärteste nicht.
Association for the Prevention of Torture, Centre Jean-Jacques Gautier, 10, Route de Ferney - C.P. 137, CH-1211 Genève 19 ++41 22 919 2180, apt@apt.ch www.apt.ch
Marco Mona