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Videoüberwachung im öffentlichen Raum
 
Videoüberwachung kann als die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen bezeichnet werden. Eine einheitliche Definition in der deutschen Literatur besteht jedoch nicht. Strittig ist insbesondere, ob lediglich die aktuelle Wiedergabe oder auch das Aufzeichnen, Speichern und spätere Auswerten der gelieferten Bilder unter in den Begriff fallen, oder ob diese Vorgänge anders bezeichnet werden müssen. Die Einsatzmöglichkeiten sind bereits heute äußerst vielfältig. Tankstellen, Tiefgaragen, Kreditinstitute, Kinos, Einkaufszentren, Verkehrsmittel, Hoteleingangshallen, Parks sowie in jüngster Zukunft auch vermehrt öffentliche Straßen oder Plätze sind nur ein Auszug der Anwendungsmöglichkeiten. Differenziert werden muss zwischen Videoüberwachung durch den Staat und Privatpersonen. Zweitgenannte können beispielsweise eine Kameraüberwachung in öffentlich zugänglichen Gebäuden veranlassen, wie in Supermärkten oder Tankstellen, möglich ist auch die Überwachung privaten Wohneigentums oder gar das Filmen von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber.

Die polizeiliche Videoüberwachung im öffentlichen Raum wird mit dem Ziel durchgeführt, die Zahl der Straftaten an Kriminalitätsbrennpunkten zu senken, kann also als präventives Instrument angesehen werden. Die Videoüberwachung öffentlicher Plätze und bietet sowohl die Möglichkeit, Übersichts- aber auch Detailaufnahmen von einzelnen Personen darzustellen, sowie diese zu verfolgen. Mittels sogenannter DOME-Technologie können gewisse Bildbereiche ausgeblendet werden. Dies ist erforderlich, wenn beispielsweise Wohnhäuser an den videoüberwachten Raum grenzen, und Wohnbereiche mittels Kamera eingesehen werden können. Der derzeitige Stand der Technik standardisiert den Einsatz von CCD-Farbkameras und eine zunehmende Digitalisierung der Aufnahmen mit immer höheren Auflösungen. Moderne Kameras haben Schwenk-, Neige-, sowie auch Zoom-Technik sowie spezifische Beleuchtungseinstellungen für schwarz-weiß, Farb- und Infrarot. Die Digitalisierung der Videoaufzeichnung ermöglicht, die digitalen Bilddaten auf Festplatten zu speichern. Weiterhin bietet sich die Möglichkeit, das Bildmaterial auch über weite Entfernungen zu übertragen. Auch die Steuerung der einzelnen Kameras kann so über eine weit vom Kamerastandort entfernte Zentrale erfolgen. Eine spätere Auswertung der gespeicherten Bilddaten wird in der Regel mit dem Ziel angewendet, Fahndungsbilder zu erstellen oder eine Identitätsbestimmung durchzuführen. Des Weiteren kann sich auch eine strafrechtliche Auswertung anschließen. Somit ist die Videoüberwachung auch ein Instrument der Repression. Die Videoüberwachung kann offen oder verdeckt erfolgen. Offen ist die Überwachung dann, wenn die Betroffenen ohne Schwierigkeiten erkennen können, dass der betreffende Bereich videoüberwacht wird, sei es durch Hinweisschilder oder die nicht zu übersehenden Überwachungskameras. Diese Form dient in erster Linie der Prävention. Im Gegensatz dazu steht die verdeckte Videoüberwachung, bei der das Überwachungssubjekt die Maßnahme nicht wahrnimmt. Diese Variante kommt i.d.R. dann zur Anwendung, wenn Beweise für ein straf- oder zivilrechtliches Verfahren gesichert werden sollen.

Großbritannien gilt als das Mutterland der Videoüberwachung, insbesondere in London werden nahezu alle öffentlichen Plätze im Innenstadtbereich überwacht. Zeitlich fand die erste Installation stationärer Kameras in Deutschland bereits Jahrzehnte vorher statt. Erstmals 1958 wurden diese in München an 17 Verkehrsschwerpunkten eingesetzt. Die Bilder wurden an eine Verkehrszentrale übertragen. 1996 wurde die erste stationäre Videokamera zur dauerhaften polizeilichen Überwachung des öffentlichen Raumes im Bahnhofsbereich der Stadt Leipzig installiert. Drogenhandel, Kfz-Aufbrüche und Taschendiebstähle sollten hiermit eingeschränkt werden. Mittlerweile wurden in allen deutschen Bundesländern in den jeweiligen Polizeigesetzen rechtliche Grundlagen für eine Videoüberwachung geschaffen. Dies ist aufgrund Grundrechtskollisionen der Maßnahme auch dringend geboten gewesen. Aus Art.8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt sich der Schutz des Rechts auf Privatsphäre. Aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG leitet das Bundesverfassungsgericht das allgemeine Persönlichkeitsrecht ab. Der § 6b BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) resultiert unter anderem aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches bereits 1983 aus dem Volkszählungsurteil hervorging und soll den einzelnen potentiell Betroffenen einer Videoüberwachung vor den Gefahren einer mit technischer Unterstützung durchgeführten Videoüberwachung schützen. Einschränkungen dieser Rechte erfordern verfassungsgemäße gesetzliche Grundlagen in Form eines förmlichen Gesetzes. Die einer Videoüberwachung im öffentlichen Raum durch die Polizei erforderlichen Rechtsgrundlagen befinden sich in den Sicherheits- und Ordnungsgesetzen der Länder. Die offene polizeiliche Videoüberwachung stellt ein Politikum dar, und die Umsetzung in den einzelnen Bundesländern ist ein Abbild der politischen Machtverhältnisse. Auch im Demonstrationsgeschehen findet eine Videoüberwachung durch die Polizei statt. Bei Demonstrationen finden die Rechtsgrundlagen des auf Bundesebene erlassenen Versammlungsgesetztes Anwendung, daher ist es der Polizei rechtlich möglich, Bild und Tonaufnahmen von Teilnehmern der Demonstration anzufertigen. Fallen bei der Videoüberwachung hingegen keine personenbezogenen Bilder an, gibt es keine rechtlichen Einschränkungen. Im privaten Bereich wird die Befugnis zur Videoüberwachung durch das Zivilrecht begrenzt, insbesondere durch das Recht am eigenen Bild. Die Verfolgung privater Geschäftszwecke -z.B. eine Überwachung der Angestellten eines Arbeitgebers- kann die öffentliche Videoüberwachung grundsätzlich nicht rechtfertigen.

Bislang hatten empirische Studien zur Videoüberwachung unterschiedliche Resultate gezeigt: Einige fanden heraus, dass Kriminalität nur verdrängt wurde, andere konnten auch in Nachbarschaftsgebieten ein Kriminalitätsrückgang verzeichnen, wiederum andere fanden beides oder zeigten überhaupt kein signifikante Veränderungen. Am ehesten tritt der Erfolg der Kriminalitätsreduktion auf Parkplätzen ein und vor allem dann, wenn die Videoüberwachung mit verbesserter Beleuchtung verbunden wird. Allerdings sind weniger die technischen Veränderungen für diesen Erfolg ursächlich als vielmehr die Tatsache, dass die Einführung dieser Maßnahmen deutlich macht, dass man sich um dieses Viertel, diesen Stadtteil oder diese Gegend kümmert. Dadurch wiederum wird der soziale Zusammenhang und die informelle soziale Kontrolle in diesem Viertel verstärkt, und dies ist nachweisbar ein besonders präventiver Faktor.

Allerdings bewirkt die Videoüberwachung eine Verdrängung der Kriminalität aus den beobachteten Räumen in oftmals naheliegende, nicht überwachte Bereiche. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in beobachteten Gebieten ist angestiegen. Dies hat zur Folge, dass der Eindruck entsteht, die Gefahrensituation werde durch die Videoüberwachung technisch kontrolliert und dringend notwendige vor Ort verfügbare nicht professionelle Hilfe unterbleibt, auch aus Angst vor der Dokumentation unsachgemäßer Hilfeleistung. Die eingesetzten Beamten, welche die Kameras steuern, beobachten aufgrund bestehender Vorurteile häufig lediglich Minderheiten und gesellschaftliche Außenseiter wie z.B. Ausländer, Punks, offensichtlich Drogenabhängige und Jugendliche. Kritiker sehen das Risiko, dass mittels der neuen Techniken Persönlichkeits- und Bewegungsbilder einzelner Individuen erstellt werden können. Auch eine mögliche Manipulation der digitalen Bilder steht im Blickpunkt, da die erweiterten technischen Möglichkeiten auch in diesem Bereich mehr Möglichkeiten bescheren.

Die stetig fortschreitende Entwicklung der Computertechnologie und sonstiger technischer Möglichkeiten der Videoüberwachung ermöglichen auch künftig weitere Anwendungsmöglichkeiten. Als Beispiel wäre die Gesichtserkennung zu nennen. Bei der biometrischen Gesichtserkennung wird über eine Kamera das Gesicht einer Person aufgenommen und mit einem oder mehreren zuvor gespeicherten Gesichtsbildern verglichen. Derzeit eignen sich biometrische Kamerasysteme allerdings noch nicht zur Fahndung nach Terroristen und Gewalttätern auf Flughäfen und Bahnhöfen. Auch das automatisierte Erfassen von Autokennzeichen ist heutzutage technisch möglich und wurde bereits in Hessen und Schleswig Holstein durchgeführt. Die anlasslose flächendeckende automatisierte Erfassung wurde vom Bundesverfassungsgericht als rechtlich unzulässig erklärt, da ein zu intensiver Eingriff in das Grundrecht auf "informationelle Selbstbestimmung" vorliegt.

Literatur:
- Büllesfeld, D.: Polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze zur Kriminalitätsvorsorge, Hamburg 2002
- Gras, M.: Kriminalprävention durch Videoüberwachung, Baden Baden 2003
- Klauser, F.R.: Die Videoüberwachung öffentlicher Räume, Frankfurt a.M. 2006
- Post, C.: Polizeiliche Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten, Hamburg 2004

Schlüsselwörter:
Verdrängung
Öffentlicher Raum
Kriminalitätsbrennpunkte
Gesichtserkennung
Überwachung
Kriminalprävention

Axel Voß
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