Umweltkriminalität (www.krimlex.de)
Die wichtigsten Tatbestände der Umweltkriminalität sind mit dem 18. Strafrechtsänderungsgesetz vom 28.03.1980 als "Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität" in das StGB als 28. Abschnitt aufgenommen worden. Zu den Umweltstraftaten kann man auch die aus dem Atomgesetz in das StGB übernommenen §§ 311 d und e StGB zählen. Umweltstrafrechtliche Normen finden sich aber auch in anderen Gesetzen, z. B. der Gewerbeordnung, dem Bundes-Seuchengesetz (§§ 63 ff.), Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (§§ 51 ff.), Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (§§ 40, 42). Weiterhin bestehen Strafvorschriften in den ländereigenen Natur- und Landschaftsschutzgesetzen. Sachzusammenhang einerseits und Schwere der Tat andererseits waren nach Aussagen des Gesetzgebers für die Aufnahme der Strafrechtsnormen in das StGB bzw. in die jeweiligen Nebengesetze ausschlaggebend.
Der Umweltschutz durchlief in der Bundesrepublik als gesellschaftliches Problem drei Phasen:
- die Entstehungsphase von 1969 bis 1972, wo der Bekanntheitsgrad des Wortes "Umweltschutz" rapide zunahm,
- die Rezessionsphase bis 1976, wo dieses Problem wieder zurückgedrängt wurde, weil man einen Konflikt zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltschutz annahm,
- die erneute Boomphase seit etwa 1977, hervorgerufen durch aufsehenerregende Umweltereignisse und die Problematisierung der Kernkraft.
Die parlamentarische Entwicklung der Straftatbestände fällt in die letztgenannte Phase. Das Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität wurde zwischen 1978 und 1980, relativ rasch, parlamentarisch behandelt und in das StGB aufgenommen. Dieses Gesetz war jedoch nur das vorläufige Ende der Entwicklung von offiziellen Umweltschutznormen, denn von 1970 bis 1980 wurden insgesamt dreimal so viele (300) verwaltungsrechtliche Normen geschaffen wie im gesamten Jahrhundert davor. Nunmehr sind Gewässer, Luft, Boden und ökologisch besonders bedeutsame Bestandteile des Naturhaushaltes durch die §§ 324 ff StGB strafrechtlich unter Schutz gestellt.
Nach den bisherigen Erfahrungen scheitert die "Wunderwaffe" Umweltstrafrecht in der Anwendungsphase aus polizeilicher Sicht immer wieder aus folgenden Gründen:
Durch die enge Verknüpfung mit verwaltungsrechtlichen Vorgaben wird die Strafbarkeit einer umweltschädigenden Handlung oft von der Verwaltung bestimmt. Weiterhin fehlt es an einer Amtsträgerstrafbarkeit und an einer Anzeigepflicht der Verwaltungsbehörden. Die Anzeigebereitschaft der Verwaltungsbehörden ist gering, weil die Verwaltungsbehörde davon ausgeht, daß die Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Emissionsreduzierung bei einer Strafanzeige schwindet. Zusätzlich bestehen Sonderregelungen und Ausnahmeregelungen für Behörden und Militär. Weiterhin sind die Zuständigkeiten im Umweltschutz zu stark aufgesplittert. So weist der "Behördenführer - Zuständigkeiten im Umweltschutz" des Umweltbundesamtes 129 Seiten mit einer unüberschaubaren Anzahl von zuständigen Stellen auf.
Im Bereich der Emissionsdelikte fehlt es noch an juristisch festgelegten Schadstoffgrenzen und definierten Analyseverfahren und die Strafverfolgungsorgane sind technisch und personell nur unzureichend ausgestattet. Es fehlt an geeigneten Verdachtsstrategien, da Umweltschutzdelikte zu den sogenannten "opferlosen" Delikten zu rechnen sind.
Die Entwicklung der bekanntgewordenen Umweltkriminalität
Umweltdelikte wurden in der Polizeilichen *Kriminalstatistik erstmals 1973 gesondert ausgewiesen. Sie stiegen von 1973 (2.321 Fälle) bis 1988 (28.946 Fälle) um mehr als das Zwölffache. Der größte Teil entfiel dabei regelmäßig auf die Verunreinigung von Gewässern (1988: 11.968 Fälle), gefolgt von den Abfalldelikten (1988: 6.748 Fälle). 35 % der Tatverdächtigen waren älter als 50 Jahre, und etwa jeder fünfte war bereits zuvor polizeilich registriert worden.
Zur Beurteilung der "Schwere" der polizeilich registrierten Umweltkriminalität gibt die Verurteiltenstatistik wertvolle Hilfe. Hier zeigt sich, daß der enorme Anstieg der polizeilich registrierten Umweltkriminalität keineswegs auf die Verurteilungen durchschlägt. Zudem deutet die Strafzumessungspraxis darauf hin, daß die abgeurteilten Fälle im untersten Bereich strafbaren Unrechts angesiedelt werden und in etwa der Strafzumessungspraxis bei Straßenverkehrsdelikten entsprechen. Bei den Staatsanwaltschaften werden zudem zwischen 40 und 80 %, bei den Gerichten zwischen 20 und 45 % der Verfahren eingestellt. Mehr als 55 % der Umweltdelikte enden mit Geldstrafe.
Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik ergeben sich folgende Besonderheiten bei den Straftaten und den Straftätern: Im Gegensatz zur klassischen Kriminalität spielen Jugendliche, Heranwachsende und Frauen als Tatverdächtige nur eine untergeordnete Rolle. Gegenstand von Ermittlungen sind überwiegend Fahrlässigkeiten, begangen in der Schiffahrt, in der Landwirtschaft, in Betrieben, durch Haus- und Autobesitzer oder LKW-Fahrer. Registriert werden weniger schwerwiegende Delikte großen Stils mit hoher krimineller Energie als eher spontane, wenig geplante Einzeldelikte.
Unter Kriminologen besteht im übrigen die Meinung, daß das Umweltstrafrecht defizitär, ineffektiv und sozial selektiv wirkt.
Trotz der enormen Zunahme der bekanntgewordenen Umweltdelikte, die im wesentlichen die Folge verbesserter Kontrolle und wachsenden Umweltbewußtseins (Anzeigebereitschaft) der Bevölkerung ist, ist nach wie vor ein sehr großes Dunkelfeld anzunehmen.
Literatur:
- Meinberg, V.: Das Strafrecht als Mittel zum Umweltschutz. In: Albrecht, H.-J.; Sieber, U.: Zwanzig Jahre Südwestdeutsche kriminologische Kolloquien, Freiburg 1984.
- Rüther, W.: Empirische Normgeneseforschung - Theorie, Methode und erste Ergebnisse eines Projektes zur Umweltstrafrechtsetzung, Kriminologisches Journal 1982, 177-193.
- Schulze, G.; Lotze, H. (Hrsg.): Polizei und Umwelt. BKA-Schriftenreihe. Wiesbaden 1986.
Entnommen mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik-Verlages Heidelberg aus der gedruckten Version des Kriminologie-Lexikons, Stand der Bearbeitung: 1991
Frank Hofmann