Ausländerkriminalität (www.krimlex.de)
 
Ausländer bzw. Nichtdeutscher ist gemäß § 2 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. Demnach ist Ausländer, wer weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch die deutsche Volkszugehörigkeit besitzt. Da die einbürgerungswilligen Personen mit der deutschen Volkszugehörigkeit in der Regel sofort nach der Einreise in das Bundesgebiet eingebürgert werden, bleibt im Grunde genommen nur die deutsche Staatsangehörigkeit als Unterscheidungskriterium. Die Gruppe der sich in Deutschland aufhaltenden Ausländer ist sehr verschiedenartig. Dazu gehören freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger, Diplomaten, Arbeitnehmer und Selbständige mit einem Aufenthaltstitel, aufenthaltsberechtigte ausländische Familienangehörige, Schüler und Studenten, Touristen und Durchreisende, Asylbewerber, geduldete Ausländer, ausländische Streitkräfte sowie Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes, basierend auf der Bevölkerungsfortschreibung, lebten in Deutschland zum Stichtag 31.12.2006 82,3 Mio. Einwohner, davon 7,3 Mio. Ausländer. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung entsprach somit im Durchschnitt 8,8%. Die einzelnen Bundesländer weisen sehr unterschiedliche prozentuale Anteile auf: von 1,9% in Sachsen-Anhalt bis zu 14,2% in Hamburg. In dieser Statistik werden die sich nur vorübergehend (z. B. Diplomaten, ausländische Streitkräfte, Touristen und Durchreisende) oder illegal in Deutschland aufhaltende Ausländer nicht erfasst. Somit dürfen die Zahlen in Wirklichkeit höher ausfallen.

Die Bezeichnungen "Migranten", "Zuwanderer" oder "Personen mit Migrationshintergrund" sind viel weiter gefasst. Darunter werden außer Ausländern auch die Personen verstanden, die entweder selbst aus anderen Ländern zugewandert sind oder aus Familien mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil stammen. Die größte Zuwanderergruppe bilden die ab Mitte der 50er Jahre angeworbenen sog. Gastarbeiter und deren Angehörige aus der Türkei, Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und dem damaligen Jugoslawien. Seit den 90er Jahren gibt es neue Zuwanderungsbewegungen, vorwiegend aus den Krisengebieten des Balkans und der Spätaussiedler (Zuwanderer mit deutscher Volkszugehörigkeit) aus Polen, Rumänien und den GUS-Staaten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Rahmen des Mikrozensus 2005 betrug die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland 15,3 Mio., was dem Anteil von 18,6% der Bevölkerung entsprach.

Die Bezeichnung "Ausländerkriminalität" wird in den Medien meistens im Sinne der Zuwandererkriminalität gebraucht, was aber nicht korrekt ist.

Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik

Die Aussagen zur Ausländerkriminalität basieren in erster Linie auf den Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die nur die polizeilich registrierten Fälle der Kriminalität erfasst. Die PKS unterscheidet bei den Tatverdächtigen zwischen Deutschen und Nichtdeutschen. Unter Nichtdeutschen definiert die PKS Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Durch diese Festlegung werden in der PKS Menschen mit Migrationshintergrund, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, als Deutsche erfasst. Von den durch die Polizei im Jahr 2006 ermittelten Tatverdächtigen waren 22,0% Nichtdeutsche. Diese Aussage ist formal richtig, darf aber nicht als einzige Grundlage zur Darstellung der Ausländerkriminalität herangezogen werden. Bereits bei einer Nichtberücksichtigung von Straftaten, die in der Regel nur durch Nichtdeutsche begangen werden können (Straftaten gegen das Aufenthaltsgesetz, Asylverfahrensgesetz und Freizügigkeitsgesetz/EU), verändert sich der Anteil der Nichtdeutschen auf 19,4%.

Der sehr hohe Tatverdächtigenanteil der Nichtdeutschen bei Urkundenfälschung (2006: 40,9%) hängt meistens mit illegaler Einreise und dem Aufenthaltsstatus zusammen. Differenziert nach dem Anlass ihres Aufenthaltes weist die PKS für das Jahr 2006 12,8% sich illegal und dementsprechend 87,2% sich legal in Deutschland aufhaltende nichtdeutsche Tatverdächtige auf. Bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen mit dem illegalen Aufenthalt verstießen 88,2% gegen das Aufenthalts-, das Asylverfahrens- und das Freizügigkeitsgesetz/EU. Die Gruppe der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit dem legalen Aufenthalt enthält 17,2% Arbeitnehmer, 8,5% Asylbewerber, 8,0% Studenten und Schüler, 7,9% Touristen und Durchreisende, 3,0% Gewerbetreibende, 0,6% stationierte Streitkräfte und deren Angehörige. Die restlichen 42,0% sich legal in Deutschland aufhaltenden nichtdeutschen Tatverdächtigen entfallen auf die zusammengesetzte Restgruppe, zu der z. B. Erwerbslose, nicht anerkannte Asylbewerber mit Duldung, Flüchtlinge, Besucher u.a. Personengruppen gehören.

Bereits die PKS macht darauf aufmerksam, dass die Kriminalitätsbelastung der Deutschen und Nichtdeutschen allein aufgrund der unterschiedlichen strukturellen Zusammensetzung (Alters-, Geschlechts- und Sozialstruktur) nicht vergleichbar ist: "Die sich in Deutschland aufhaltenden Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind im Vergleich zur deutschen Bevölkerung im Durchschnitt jünger und häufiger männlichen Geschlechts. Sie leben eher in Großstädten, gehören einem größeren Anteil unteren Einkommens- und Bildungsschichten an und sind häufiger arbeitslos. Dies alles führt zu einem höheren Risiko, als Tatverdächtige polizeiauffällig zu werden" (PK" 2006, S. 105).

Da die Staatsangehörigkeit an sich weder ein Schutz- noch ein Risikofaktor für die strafrechtliche Auffälligkeit ist, wurden unterschiedliche kriminologische Studien und Dunkelfeldbefragungen über die Bevölkerungsgruppe der Zuwanderer durchgeführt und die Personen mit Migrationshintergrund soziologischen und kriminologischen Betrachtungen unterzogen. Es wird immer häufiger darüber diskutiert, dass die gelungene Integration zur Minderung der strafrechtlichen Höherbelastung der Zuwanderer beitragen kann. Eine für Baden-Württemberg für das Jahr 2002 durchgeführte Sonderauswertung mit teilweisem Ausgleich der statistischen Verzerrungsfaktoren ergab, dass die Höherbelastung der nichtdeutschen Tatverdächtigen bei der besonders mit Kriminalität belasteten Gruppe der 14- bis unter 25jährigen Männer, die als Ausgangswert 3,3-mal so hoch war wie die der deutschen Vergleichspopulation, nach der Korrektur nur noch das 1,7-fache betrug.

Strafverfolgung

Einige kriminologische Untersuchungen haben Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass nichtdeutsche Tatverdächtige strafrechtlich schärfer als deutsche verfolgt werden und gegen Ausländer häufiger als für Deutsche Untersuchungshaft angeordnet wird.

Erklärungsversuche

Nach der Kulturkonflikttheorie entwickelt sich zwischen unterschiedlichen kulturellen Wert- und Verhaltensnormen ein sozial abweichendes Verhalten. Um sich eine neue soziale Identität im Gastland aufzubauen, müssen die Einwanderer sich den Normen und Standards des Gastlandes anpassen. Aus dieser Situation entstehen Innen- und Außenkonflikte. Auf den ausländischen Kindern lastet ein sich widersprechender Sozialisationsdruck. Die gesellschaftlichen Einflüsse (Schule, Massenmedien, Gruppendynamik) bringen die Einstellungen der Kinder mit denen ihrer Eltern und den von ihnen geprägten Leitbildern in Konflikt. Hinzu kommen die Erkenntnis der Andersartigkeit, Autoritäts- und Sprachprobleme, die zu Entfremdungserscheinungen zwischen Eltern und Kindern und auch zur Kriminalitätsanfälligkeit führen können.

Der Labeling-Ansatz sieht die Ursache der Ausländerkriminalität in der Stigmatisierung, Ablehnung und Etikettierung der Nichtdeutschen durch die deutsche Bevölkerung.

Die Theorie der sozialstrukturellen Benachteiligung betrachtet die sozialen Benachteiligungen der Ausländer (ghettoähnliche Wohnsituationen, höhere Arbeitslosenquote, schlechtere Schul- und Bildungschancen) als Ursache ihres kriminellen Verhaltens. Die Ursachen der Kriminalität würden demnach potenziert bei der "zweiten" und "dritten" Generation der Ausländer wirksam. Ihre Kriminalität lässt sich primär auf ihre soziale Lage zurückführen.

Auch Männlichkeitsphänomene, Anerkennungsdefizite und eigene Gewalterfahrungen werden im Schrifttum als mögliche Risikofaktoren der strafrechtlichen Auffälligkeit - insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität junger Zuwanderer - diskutiert.

Kriminalpolitik

In den Medien und in der Politik wird die Kriminalität der Ausländer bzw. der Zuwanderer oft thematisiert und sogar für politische Parolen missbraucht. Insbesondere durch Ausschreitungen junger Zuwanderer wurden überregional die Probleme dieser Bevölkerungsgruppe deutlich. Die Integrationsbemühungen der Betroffenen als auch die Integrationsmaßnahmen - insbesondere Förderung der Sprachkompetenz und sozialpädagogische Unterstützung - der entsprechenden Regierungen scheinen zum größten Teil ursächlich für die bereits erkannten Probleme zu sein.

Literatur:
Bundeskriminalamt (Hg.) 2006: Polizeiliche Kriminalstatistik (insbes. S. 105-124)
Bundesministerium des Innern und Bundesministerium der Justiz (Hg.) 2006: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (insbes. S. 408-439).
Heinz, W. 2004: Kriminalität von Deutschen nach Alter und Geschlecht im Spiegel von Polizeilicher Kriminalstatistik und Strafverfolgungsstatistik. http://www.uni-konstanz.de/rtf/kik/krimdeu2002.pdf, 29.02.2008, 18-22
Heinz, W. 2003: Jugendkriminalität in Deutschland. Kriminalstatistische und kriminologische Befunde. http://www.uni-konstanz.de/rtf/kik/Jugendkriminalitaet-2003-7-e.pdf, 29.02.2008, 53-60
Luff , J. 2005: Meinung, Lage, Wissenschaft. Zur Lage tatverdächtiger Aussiedler zwischen öffentlicher Meinung und Wissenschaft, in: Polizei & Wissenschaft, 28-39 (http://www.polizei.bayern.de/content/6/4/9/aussiedler04.pdf, 29.02.2008)
Pfeiffer, C., Kleimann, M., Schott, T., Petersen, S. 2005: Migration und Kriminalität. Ein Gutachten für den Zuwanderungsrat der Bundesregierung


Schlüsselwörter: Ausländer, Migranten, Zuwanderer, Aussiedler, Gastarbeiter, Asylbewerber

Natalia Hankel