Dunkelfeldforschung (www.krimlex.de)
 
Die Dunkelfeldforschung beschäftigt sich mit der Ausgestaltung und den Abhängigkeiten des sogenannten Dunkelfeldes. Der Begriff des Dunkelfeldes ist umstritten. Es lassen sich jedoch zwei Hauptströmungen ausmachen. Die Vertreter des weiten Dunkelfeldbegriffes sehen hierunter das Verhältnis von begangenen zu aufgeklärten bzw. verurteilten Taten. Wohingegen die Vertreter des, derzeit herrschenden, engen Dunkelfeldbegriffes das Verhältnis von begangenen zu bekannt gewordenen Taten unter den Begriff fassen. Die Verhältnismäßigkeit zwischen den jeweiligen Parametern wird sodann als Dunkelzifferrelation bezeichnet.

Methodik

Um obige Verhältnismäßigkeiten näher spezifizieren zu können, bedient sich die Dunkelfeldforschung verschiedener Methoden. Sie lassen sich in drei Hauptpunkte gliedern. Dies sind namentlich das Experiment, die teilnehmende Beobachtung und die Befragung. Im folgenden Abschnitt sollen die drei Vorgehensweisen mitsamt deren Schwierigkeiten in der Anlage und möglichen Fehlerquellen dargestellt werden.

Das Experiment definiert sich als planmäßiges Herbeiführen eines Geschehens zum Zwecke seiner Beobachtung. Problematisch ist hier das Merkmal des „planmäßigen Herbeiführens“. Originalsituationen sind nur schwer nachstellbar. Die Dynamik des Realen geht schnell verloren oder wird stark reduziert. Eine Laborsituation ruft außerdem selten echte Verhaltensweisen hervor. Zudem lassen sich bestimmte Delikte nur schlecht im Labor darstellen, beispielsweise schwere Straftaten. Das Experiment ist daher als Methode für die Dunkelfeldforschung nur bedingt geeignet und allenfalls als Ergänzung und Hinweisgeber anzusehen.

Im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung überwacht ein außenstehender Dritter das Geschehen, ohne von den Beteiligten als Beobachter erkannt zu werden. Probleme ergeben sich hierbei bereits in der praktischen Durchführbarkeit. Es stellt den Beobachter vor gewisse Schwierigkeiten, das Geschehen stets im Auge zu behalten und gleichzeitig nicht als Beobachter erkannt zu werden. Des Weiteren leidet dieser Ansatz an einem quantitativen Mangel. Eine teilnehmende Beobachtung ist lediglich in einem relativ kleinen Ausschnitt möglich. Von diesem kann nur schwer und ungenau auf einen größeren Zusammenhang geschlossen werden. Zur Einzelfallbeurteilung oder zur Momentaufnahme ist die Methode jedoch recht gut geeignet, wenngleich sie selten angewandt wird.

Bei der Befragung unterscheidet man drei verschiedene Arten. Dies sind die Täterbefragung, die Opferbefragung und die Informantenbefragung. Bei ersterer sollen die befragten Personen Angaben über von ihnen begangene, jedoch nicht aufgedeckte Taten machen, wohingegen bei der Opferbefragung die Testpersonen über erlittene und nicht angezeigte Taten Auskunft geben sollen. Die Informantenbefragung richtet sich dagegen an Dritte, welche nach ihrer Kenntnis über delinquente Verhaltensweisen anderer, ihnen jedoch bekannter Personen, befragt werden. Solche Befragungen können sowohl schriftlich als auch persönlich oder telefonisch erfolgen. Hierbei können vielfältige Fehler auftreten, welche sich grundsätzlich in zwei Fehlerquellen unterteilen lassen. Dies sind zum einen die Anlage des Fragebogens und die damit verbundene Art der Befragung selbst und zum anderen ungenaue oder unwahre Angaben der Befragten.

Die Auswahl der Testpersonen kann bereits das Potenzial zu verzerrten Ergebnissen beinhalten. Randständige Gruppen, wie bestimmte Ausländergruppen oder auch bestimmte Milieus, zum Beispiel das Rocker- oder Rotlichtmilieu, werden bei einer allgemeinen Probandenselektion seltener befragt. Dies liegt daran, dass sich sowohl die Auswahl als auch das Erreichen dieser Personen schwierig gestaltet. Sollte eine Befragung jener dennoch gelingen, wird man, besonders in bestimmten Milieus, oftmals deutlich weniger Auskunftsfreudigkeit antreffen als woanders.

Ferner birgt die Gestaltung des Fragebogens die beständige Gefahr in sich, dass der Proband eine Frage oder gar Teile des Fragebogens nicht richtig versteht oder falsch einschätzt. In diesem Zusammenhang ist es außerordentlich schwierig einen Fragebogen derart anzulegen, dass zumindest der allergrößte Teil der Testpersonen diesen auch sofort verstehen, richtig erfassen und ihre Antworten fragespezifisch formulieren kann. Es besteht die Möglichkeit, dass bereits zu diesem Zeitpunkt spätere Verzerrungen der Ergebnisse angelegt sind. Bei Opferbefragungen besteht zusätzlich das Problem, dass Taten ohne eigentliches Opfer nicht erfasst werden können. Dies bedeutet, dass kein personales Opfer vorhanden ist, sondern lediglich juristische Personen, wie eine Kaufhauskette bei Ladendiebstahl oder eine Versicherung bei Betrugsfällen. Eine Befragung scheidet hier auch aus dem Grund aus, dass es in diesen Fällen kein direktes Opfer gibt, also eines mit direkt erlebtem Täterkontakt.

Ungenaue oder unwahre Angaben der Befragten können auf verschiedenen Gründen beruhen. Eine erste Unterteilung kann nach absichtlichen oder unabsichtlichen Falschangaben vorgenommen werden. Absichtlich falsche Angaben treten zum Beispiel bei Prahlereien auf, indem eine Tat weitaus größer und gefährlicher dargestellt wird, als sie tatsächlich war. Es kann aber auch auf eine Verharmlosung der Tat hinauslaufen. Unabsichtliche Falschangaben können schlicht durch eine lückenhafte Erinnerung oder durch eigene Fehleinschätzungen der Testpersonen verursacht werden.

Die Befragung enthält somit ein großes Fehlerquellenpotenzial. Allerdings ist sie trotz allem die derzeit noch am häufigsten angewandte und relativ verlässlichste Quelle der Informationsbeschaffung. Die weitgehende Eliminierung der genannten Fehlerquellen stellt hierbei jedoch die größte Hürde und Aufgabe dar.

Wie gezeigt leiden alle drei genannten Vorgehensweisen an methodischen Unstimmigkeiten. Gleichwohl kann jede für sich in Ergänzung zu den anderen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Dunkelfeldes leisten. Eine ergänzende Anwendung, soweit möglich, führt zu einem relativ umfassenden und genauen Abbild der Dunkelfeldwirklichkeit. Dieses Ergebnis ist aber nur dann möglich, wenn bei jeder der drei Vorgehensweisen die methodischen Schwierigkeiten soweit wie möglich zurückgedrängt werden.

Abhängigkeiten

Im Folgenden soll näher auf das Dunkelfeld und dessen Abhängigkeiten vom sogenannten Hellfeld eingegangen werden. Das Hellfeld bezeichnet, je nach Definition des Dunkelfeldes, die verurteilen und aufgeklärten Taten oder die bekannt gewordenen.

Die spezifischen Abhängigkeiten zwischen Hell- und Dunkelfeld sind nicht abschließend geklärt und umstritten. Im Folgenden sollen daher lediglich die wesentlichen Annahmen in ihren Grundzügen dargestellt werden.

Die erste Annahme bezeichnet die Konstanz zwischen Hell- und Dunkelfeld. Dies meint, dass eine Vergrößerung des Hellfeldes automatisch eine Vergrößerung des Dunkelfeldes zur Folge hat. Die derzeit herrschende Meinung schränkt die Konstanzannahme jedoch dahingehend ein, dass jenes nur gelten soll, wenn bezüglich der Varianz ein enger geografischer und zeitlicher Zusammenhang besteht. Anderenfalls könnten andere Einflussfaktoren ein zu großes Gewicht erlangen. Hierunter fällt unter anderem ein geändertes Anzeigeverhalten der Bevölkerung, auf das später noch eingegangen wird.

Die zweite Annahme vermutet einen additiven Zusammenhang zwischen Hell- und Dunkelfeld. Eine Vergrößerung des Hellfeldes bedingt hiernach eine Reduzierung des Dunkelfeldes. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass mehr Taten polizeibekannt werden und sich dadurch das Dunkelfeld zugunsten des Hellfeldes verringert. Die Gesamtkriminalität bleibt jedoch, im Gegensatz zur obigen Konstanzannahme, auf einem feststehenden Niveau.

Schließlich soll in diesem Zusammenhang auf mögliche Rückkopplungen von Hell- und Dunkelfeld eingegangen werden. Dies lässt sich am besten an einem Beispiel illustrieren. Bei einer hohen Aufklärungsquote von Delikten vertraut der einzelne Bürger eher den Maßnahmen und den Erfolgsaussichten der Strafverfolgungsbehörden. Die Bereitschaft Delikte anzuzeigen nimmt dadurch zu. Aufgrund dieser erhöhten Anzeigebereitschaft sinken die absoluten Zahlen des Dunkelfeldes, zudem erhöht sich für potenzielle Täter die Gefahr entdeckt zu werden. Bestimmte Tätergruppen, vor allem planmäßig vorgehende Personen, werden hiervon eher abgeschreckt, wodurch die Kriminalitätsrate insgesamt sinkt. Vorig dargestellte Rückkopplung funktioniert dagegen auch in umgekehrtem Sinn. Ist die Aufklärungsquote gering, kann dies zur Folge haben, dass die Kriminalitätsrate letztendlich ansteigt.

Die Abhängigkeiten zwischen Hell- und Dunkelfeld sind vielgestaltig und nicht abschließend ergründet. Alle hier gezeigten Annahmen können richtig oder falsch sein, je nachdem welche Bedingungen jeweils zugrunde liegen oder welche äußeren Einflüsse sie bedingen.

Ergebnisse

Abschließend soll auf die bisher gewonnenen Ergebnisse der Dunkelfeldforschung eingegangen werden.

Bei der überwiegenden Anzahl von Delikten ist das Dunkelfeld stets größer als das Hellfeld. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass unterschiedliche Deliktsarten relativ zum Hellfeld unterschiedlich große Dunkelfelder aufweisen. Das Dunkelfeld einer Deliktsart ist umso größer, je geringer der durch die jeweilige Tat verursachte Schaden ist. Dies resultiert im Besonderen aus einer fehlenden Anzeigebereitschaft solcher Delikte, weswegen beispielsweise die sogenannte Bagatellkriminalität ein recht großes Dunkelfeld aufweist. Im Gegensatz dazu ist das Dunkelfeld umso kleiner, je höher der durch das Delikt verursachte Schaden ist. Die Anzeigebereitschaft ist bei diesen Delikten einfach höher. Dies resultiert sowohl bei Personen-, als auch bei Vermögens- und Sachschäden zum einen aus dem Sühnegedanken heraus, zum anderen aufgrund einer notwendigen, auch versicherungstechnischen, Regulierung des Schadens.

Ferner spielt die Entdeckungsquote von Taten bei der Einschätzung der Größe des Dunkelfeldes eine ausschlaggebende Rolle. Ist jene Quote eher gering, wie beispielsweise beim Ladendiebstahl, kann von einer recht hohen Dunkelzifferrelation ausgegangen werden. Ist die Entdeckungsquote dagegen auffallend hoch, wie beispielsweise beim Einbruchsdiebstahl, ist von einer niedrigen Dunkelzifferrelation auszugehen. Die Aufklärungsquote ist in diesen Fällen, nebenbei bemerkt, genau entgegengesetzt.

Zwei weitere Besonderheiten sollen in diesem Rahmen kurz dargestellt werden. Die Dunkelzifferrelation hinsichtlich der Taten von Kindern und Jugendlichen ist im Allgemeinen verhältnismäßig hoch. Dies begründet sich in informellen Sanktionen, die beispielsweise durch die betreffende Schule vorgenommen werden, bevor es zu einer Anzeigeerstattung kommt. Auch sind Frauen und Mädchen nicht nur im Hellfeld, sondern auch im Dunkelfeld geringer kriminell belastet, als ihre männlichen Pendants.

Ein weiteres, zudem auffälliges Ergebnis wird als Ubiquität der Kriminalitätsverteilung bezeichnet. Es wurde festgestellt, dass eine allgemeine Verbreitung der Kriminalität über alle Gesellschaftsschichten hinweg vorhanden ist. Freilich ist die Qualität der jeweils begangenen Taten recht unterschiedlich und nur schwer zu vergleichen. Gezeigt wurde jedoch, dass die Begehung von leichten Straftaten in einem gewissen Umfang normal und weit verbreitet ist. Anzunehmen ist dabei, dass schwerere Straftaten häufiger in der gesellschaftlichen Unterschicht anzutreffen sind. Durch die gestiegene Wirtschaftkriminalität, gerade der letzten Jahre, ist es aber fraglich, ob diese Einschätzung uneingeschränkt ihre Gültigkeit behalten kann. Eine Differenzierung ist hier nach der Art des Deliktes vorzunehmen. Während in der Unterschicht mehr Personenschäden, Sachschäden und kleinere Vermögensschäden auftreten, sind dies in der Oberschicht zunehmend Vermögensschäden von größerem Umfang, welche in ihrer Gesamtheit nicht unerheblichen gesamtwirtschaftlichen Schaden anrichten können.



Resümee

Die Dunkelfeldforschung ist gemeinsam mit und ergänzend zur polizeilichen Kriminalstatistik ein gutes und notwendiges Instrument, um die Verbrechenswirklichkeit detaillierter und aussagekräftiger darstellen und beurteilen zu können. Aufgrund dessen lassen sich überdies gezielt Rückschlüsse auf notwendige Schritte der Strafverfolgungsbehörden ziehen, die helfen sollen das Dunkelfeld zugunsten des Hellfeldes einzudämmen. Nötig sind hier zuvorderst vertrauensbildende Maßnahmen, welche die Anzeigebereitschaft der Bürger erhöhen. In Betracht kommen dabei etwa die Schaffung einer größeren Bürgernähe, eine verstärkte positive Polizeipräsenz, aber auch ein spezielles Eingehen auf bestimmte häufig vorkommende Deliktsarten. Letzteres kann sowohl mit Hilfe präventiver als auch repressiver Maßnahmen erreicht werden.

Literatur
- Göppinger, Hans / Bock, Michael: Kriminologie. München 2008.
- Kaiser, Günther / Schöch, Heinz: Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug. München 2006.
- Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Heidelberg 2008.

Thomas Mosmann